Ossis mit und wider Wessis 2019

Ossis mit und wider Wessis 2019

 

Viele der Argumente im ZDF-Beitrag über Ossis und Wessis [i] stimmen überein mit einer Diagnose, die ich von S. Satjukow[ii] übernommen habe; sie haben die Diagnose sogar noch aktualisiert und präzisiert: denn sie weisen darauf hin, dass die Folgen des Besatzungstraumas aus der UdSSR-Zeit – die Symptome im psychiatrischen Sinne – nun übertragen werden von den Russen auf die Westdeutschen. Die Einen wie die Anderen lösen in den Ostdeutschen das Gefühl des Unterlegenseins aus, der Minderwertigkeit und des von oben herab Behandeltwerdens:

Fremdenhass hat in Europa zwei unterschiedliche Ursachen, abhängig von regional unterschiedlicher Entwicklung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs:

Im Osten, besonders im Osten Deutschlands, beeinflusste die Dauerokkupation durch das kommunistische Russland die Entwicklung xenophobischen Verhaltens: das Verhältnis begann als weithin unbeschränkter Hass russischer Soldaten gegenüber der ostdeutschen Bevölkerung;  die Deutschen hatten begründete Angst vor den Russen; massive Übergriffe hatten eine verständliche Langzeitwirkung. Annäherung versuchte man von russischer Seite das gesamte halbe Jahrhundert hindurch zu unterbinden. So entstand in der ostdeutschen Seele ein kompliziertes Gemisch von Vorurteilen gegenüber Fremden, das seitens der Besatzer durch den Widerspruch zwischen dem Bild von Bruderschaft und Freundschaft im Kommunismus einerseits, andererseits aber durch die Dauerpräsenz als überlegene Besatzungsmacht geprägt war.i In diesem Fall waren also offenbar die Ostdeutschen die Ausgegrenzten und Unterdrückten im eigenen Land, ein Zustand, der sich bei manchen Bürgern der gegenwärtigen Generation als genereller Fremdenhass ausdrückt, ein dumpfes Vorurteil, das sich nicht mehr nur als Fremdenfeindlichkeit, sondern eben als deren pathologische Variante ausdrückt: Hass. Fremdenfeindlichkeit in den anderen osteuropäischen bzw. früheren sowjetischen Satellitenstaaten scheint direkt zu korrelieren mit dem Maß, in dem sie gegen das Sowjet-Imperium eingestellt waren: Ungarn, Polen und die damalige Tschechoslowakei haben etwa in dieser Reihung am deutlichsten Widerstand gezeigt ….. “ [iii]

Darüber hinaus muss man aber auch bedenken, dass Kulturen und Nationen häufig dazu neigen, sich gegenüber fremden Gruppen überlegen zu fühlen – ggf. bis sie die Erfahrung machen, dass man am fremden System tatsächlich Vorteile erkennt, die bewirken, dass das Leben im Alltag besser wird – das Nachkriegseuropa des 20.Jh hat dies mit seiner teilweisen zivilisatorischen Amerikanisierung erlebt (Kultur erfuhr dabei eher eine Nivellierung).

Den trivialen Unterbau des Verhaltens bildet selbstverständlich die animalische Xenophobie (Fremdenscheu) und Territorialisierung, die bekanntlich in Gegenden umso stärker ausgeprägt ist, je weniger Fremde tatsächlich vorort sind – nur in Ballungs-zentren stumpft sie ab, weil sich in einem Schmelztiegel verschiedener Bevölkerungs-gruppen kaum noch eine regionale Subkultur bestehen bleiben kann:

„Diese Mechanismen sind nicht nur in archaischen menschlichen Gesellschaften als selbstverständliches evolutionäres Erbe anzunehmen; sie existieren auch heute unvermindert: Territorialität tritt in der modernen Welt in Form von Staatsgrenzen ebenso direkt zutage wie die Reviere mafiöser Verbände. Fremde Gesichter lösen eine spontane Reaktion aus so wie auch in der Kindheit; wenn auch meist verborgen hinter einer Maske der Neutralität, so verrät sie sich hin und wieder doch durch Verhalten wie Vermeiden des Blickkontakts und von größerer Distanz sowie durch Reserviertheit. Dieser spontane „unbelehrbare Lehrmeister“ ist dennoch in einer zweiten, nun bewussten, Reaktion kontrollier-bar und kann durch Übung und Gewöhnung – z.B. in Großstädten – überhaupt das ursprüngliche Spontanverhalten „im Zaum“ halten. Insgesamt bleibt jedoch ein trennender Graben, messbar in Fuß und Metern, abhängig vom Ausmaß der unterschiedlichen äußeren Erscheinung, von den kulturellen Gewohnheiten wie auch vom erkennbaren religiösen Hintergrund. 

Die tief verwurzelte Ambivalenz der Xenophobie, diese scheinbar widersprüchliche Mischung von Verhaltensmustern und Emotionen, tritt eindrucksvoll hervor, wenn man diese negativen und abstoßenden Gedanken und Meinungen über Gruppen anderer Ethnizität und Religion [iv] vergleicht mit unserer Bewunderung für ferne Kulturen und unseren Wunschträumen von Menschen in fernen Ländern, mit ihrer mysteriösen Erscheinung und ihren fremden Gebräuchen. Was zu weit entfernt ist um zu bedrohen, oder was von vornherein friedfertig wirkt, ist Gegenstand unserer Neugier und zieht uns an. Es gibt kaum Menschen in der westlichen Welt, die nicht davon träumen, auf einer Pazifik-Insel oder in einem Land des Fernen Ostens einen Urlaub zu verbringen, bei Leuten einer fremden Kultur mit ihrem überraschend fremden aber köstlichen Essen. Viele von uns können auch hin und wieder der Traumvorstellung von außerirdischen Wesen nicht widerstehen, ob es sie nicht doch irgendwo geben könnte, und wie sie wohl aussehen mögen. Niemand denkt daran, einen Abwehrwall gegen Außerirdische zu errichten (Asteroide sind hier natürlich nicht das Thema), solange sich nicht eine unmittelbare Bedrohung ankündigt.  

Das unmenschlich Menschliche

Wenn wir nun also diese Xenophobie als „unmenschlich“ bezeichnen, einmal weil dies derzeit als politisch korrekt gilt, dann aber auch grundsätzlich, weil es sich um Verhalten aus dem tierischen Erbe handelt, dann vergessen und ignorieren wir dabei unsere evolutionären Wurzeln, etwas, das Teil von uns ist wie Mund und Nase. Außerdem beseitigt eine solche Verbannung eines Teiles unserer selbst auch die positiven Anteile dieser ambivalenten Eigenschaft „Xenophobie“, unsere träumende, schnüffelnd- neugierige Sympathie mit den fremden anderen Wesen da draußen in einiger Distanz, die nur zur Gefahr werden, wenn sie eine rote Linie überschreiten und zu nahe kommen.    

Viele von uns werden sich heimlich eingestehen, dass wir hin und wieder spon-tan reserviert reagieren oder sogar innerlich zusammenzucken, wenn wir mit einem fremd erscheinenden Mitmenschen konfrontiert sind, bis wir uns zu besinnen beginnen und unser Verhalten kontrollieren. Nirgendwo in der Literatur wurde Xenophobie in charmantere und berührendere Worte gefasst wie in Schikaneder’s Libretto zu Mozart’s Oper „Die Zauberflöte“: der Vogelfänger Papageno, selbst angekleidet wie mit einem Vogelgefieder, trifft in der Dämmerung Sarastro, den Mohr; beide schrecken zurück in der Überzeugung, dem wahrhaftigen Teufel zu begegnen. Nach einer Weile aber beruhigt sich Papageno und sagt: unter den vielen Vögeln, die ich kenne, sind auch schwarze, warum also sollte es nicht auch schwarze Menschen geben? 24

Das also ist Xenophobie, die biologische Tatsache, Instinkt, entwickelt über Jahrmillionen im Laufe der Evolution, neuerdings politisch nachgerade verfolgt – die Natur antwortet, hält dagegen. Und dies ist Territorialität, sozial akzeptiert als ein Recht auf Besitz, auf Land mit Zaun drum herum, das von anderen ohne Einladung nicht betreten werden darf. Der weise legendäre König Numa aus der Monarchiezeit des frühen Alten Rom machte „private Grenzen“ sogar zu einer eigenen Gottheit.N54 Nicht primärer Hass, sondern primäre Abgrenzung des Individuums von der Umwelt, steht am Beginn.N107  –  Trotz allen Verständnisses dieser unserer eigenen spontanen Reaktionen, und unserer Bedachtnahme darauf, bleibt am Ende dennoch diese Tendenz zur Rückkehr in das eigene gewohnte Milieu, dem Verbleib darin und zu einem gewissen Abstand vom gewohnten Milieu Anderer, das uns selbst fremd ist. „Kultur“ gewinnt in diesem Zusammenhang die Bedeutung auch von „gewohntem Umfeld“ mit all seinen Komponenten. Wir vermissen es in der Fremde, leiden unter Heimweh. All dies ist ebenso Tatsache, und Teil von Xenophobie und Territorialität.

Ethnische Xenophobie 

Aus dieser biologischen, genauer ethologischen, Sicht ist das Fremdeln zwischen Menschen verschiedener Ethnien gar nichts anderes als eine der Ausdrucksformen von Xenophobie …..“.[v]

[i] J. Breyer, Am Puls Deutschlands – wasmichimostenstoert. ZDF-zoom vom 14. 08. 2019, https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-am-puls-deutschlands—wasmichimostenstoert-100.html

[ii] S. Satjukow, Besatzer. Die Russen in Deutschland, Vandenhoeck & Ruprecht 2008

[iii] Auszug aus L.M. Auer, „Demokratie 4.0. Evidenz statt Macht“, zweite Auflage, BoD 2019, Kapitel „Aggression und Hass“, S.74f.

[iv] S. Stephens-Davidowitz, Everybody Lies. What the internet can tell us about who we really are. Bloomsbury 2018 (2017)

[v] L.M. Auer, „Demokratie 4.0. Evidenz statt Macht“, zweite Auflage, BoD 2019, Kapitel „Xenophobie und Territorialität“, S. 68ff.

Titelbild: Weser Kurier, Zeichnungen einer Zäsur, 30.09.2015, Was vom Schrecken blieb: Barbara Henniger zeichnete die Karikatur mit dem Titel „Menschenmauer“ im Jahr 1998. ABBILDUNG: BARBARA HENNIGER (fr, KAS)

 

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Vom Sprechen und Denken

Ein Kommentar zu „Sprachliche Indizien“ auf per5pektivenwechsel.wordpress.com

 

Wie immer beginnt alles mit, und hängt an, der Definition: und für kaum einen anderen Bereich ist dies bedeutsamer als für „Denken“: auch ohne die neurowissenschaftlichen Hintergründe genauer diskutieren zu müssen, stellen wir alle schon durch einfache Selbstbeobachtung fest, dass wir teilweise „verbal“ denken (manchmal sogar laut oder durch stilles Bewegen der Lippen), manchal jedoch „non-verbal“, wenn ein Ablauf derart selbstverständlich und geübt ist, dass der Gedankenlauf schneller ist als unser verbales Mitdenken dazu (im Sinne von: weiß ich schon, brauche ich nicht nochmal zur Gänze aussprechen…). Inwieweit wir das bewusst mitvollzogene, eigene, spontane gedankliche Reagieren noch als „Denken“, sozusagen als noch weiter darunter gelegenes Denken, bezeichnen wollen, ist eben Definitionssache; alle Vorgänge sind Hirnfunktionen – welche davon wir als „Denken“ benennen, rückt im Zuge der immer rascher zunehmenden neurowissenschaftlichen Erkenntnisse immer näher an babylonische Sprachverwirrung.

Zur Sprache erkenne ich eine „äußere“ Sprache, also das laute Sprechen, und eine „innere Sprache“, also jener Vorgang, der dem verbalen Denken gleichzusetzen ist. „Bewusstheit“ im Sinne von „Gewahrsein des eigenen Gewahrseins“ („only when I am aware that I am aware, am I aware“[i]) hängt wohl eng mit der sprachlichen Einordnung von Denkinhalten zusammen, aber hier kommen die Nebel des Geheimnisses über der Wahrheit auf – wir wissen nicht, was Bewusstsein ist (manche glauben nahe dran zu sein, aber dennoch), daher gibt es auch keine Ableitungen davon oder konkrete Verbindungen zu Sprache und Denken.

Mein zweiter Gedanke ist, dass „Sprache“ zunächst eine körperliche Reaktion ist (und wohl ursprünglich ausschließlich war), nämlich eine motorische: nur bewegen sich nicht mehr Beine, Arme, Hände, Finger, sondern Kehlkopf, Zunge, Gaumen und Lippen. So konnte z.B. aus brachialer eine verbale Auseinandersetzung werden.

Womit wir bei meinem dritten Gedanken wären, dort, wor sich die Spur in einem scheinbar – und wohl tatsächlich – unergründlichen Geheimnis verliert: „Sprache“ ist wohl, wie erwähnt, unzertrennlich, wenn auch auf unbekannte Weise, mit der Entwicklung von „Bewusstheit“ verbunden, demnach die Entwicklung der Bewusstheit in uns als Individuum – phylogenetisch und ontogenetisch. „Sprache“ ist aber auch, ebenso „primär“ wie für die Bewusstheit, Voraussetzung für die Kommunikation: Sprache dient der Kommunikation, „ist“ Kommunikation (auch wenn sie an einzelnen Stellen als Urlaut einfach nur Ausdruck einer Reaktion ist, wie z.B. „aauuuhh“). Kommunikation jedoch ist einem „Sozialkontrakt“ unterworfen: es kam zu einer Vereinbarung, die hieß: hiermit nennen wir diesen Gegenstand einen „Baum“. Bevor dies geschehen war, konnte ich als Individuum nicht „Baum“ sagen, und auch jenen Gegenstand damit bezeichnen, den auch die anderen darunter verstehen.

Das Geheimnis beginnt nun bei der Ortung des Primates: was war zuerst? Ich kann nicht Baum sagen und bewusst verbal „Baum“ denken, ohne dass der Sozialkontrakt über die Kommunikation mit anderen entstanden wäre. Der Sozialkontrakt jedoch kann nicht ohne bewusste Denker entstanden sein, Wesen, die in der Lage sind, etwas in sich bewusst zu denken, was erst durch die Kommunikation mit anderen entstanden sein kann … eigentlich ist uns also eine logische Erklärung der Entstehungsgeschichte nicht möglich. Wahrscheinlich handelt es sich um einen „fuzzy“ verwurschtelten millionenfach verworrenen und verwickelten phylogenetischen Prozess des Dialogs zwischen beiden Instanzen, dem Individualgehirn und der …. ja was? Der Gemeinschaft? Dem, was „geistig“ zwischen den Individuen entstand, bzw. gleichzeitig in allen Gehirnen, die an der Gemeinschaft beteiligt waren?

Eines ist zumindest sicher, so meinen wir, nämlich, dass ein Nachdenken über den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken ohne Bewusstheit unmöglich sei – jedoch nur für einen Augenblick, bis dann nämlich, wenn uns ein Gedanke zu diesem Thema „einfällt“, den wir „Einfall“ nennen, weil wir nicht wissen, woher er plötzlich gekommen ist, aus welchem Nichts …. oder doch aus den tieferen Schichten unserer Hirntätigkeit, dort, wo etwas abläuft, von dem wir nicht sicher sind, ob wir es „denken“ nennen dürfen, schon allein deshalb, weil es ohne Sprache abgelaufen ist?

Am Ende tiefer Gedanken kehren wir letztlich immer doch wieder nur zu uns selbst zurück, wie in einer Spiegelung, oder in einem Zirkelschluss, dort, wo es dann heißt: zumindest weiß ich dieses eine, nämlich, dass ich nichts weiß. Damit fängt aber – welch ein Widerspruch – das Wissen an, und schafft sich, mühsam, im Laufe der Jahrtausende, eine halbwegs sichere Plattform, wie eine Brücke mit immer größer werdenden Aufbauten, die jedoch hinten und vorne im Nichts endet, weil wir nicht wissen, woher wir kommen, und wohin wir gehen. Kein Problem, vorausgesetzt wir haben „Wissen“ definiert. Was täten wir also nur ohne die Philosophie?

[i] MR Bennett, PMS Hacker, Philosophical Foundations of Neuroscience, Blackwell 2010

Einschulung zur Rückkehr

Zur Nahostpolitik des Westens

Ein Kommentar zum Artikel von B.Ulrich (Zeit-online 25.03.2016): Vom Rassismus zum Realismus

 

Endlich eine vernünftig tieffassende Stimme (endlich auch ungeschützte Kritik in freiem Fahrwasser betreffend die Position gegenüber Saudi-Arabien; Lob, obwohl in Ihrer Kritik die deutschen Lizenzen für die Herstellung deutscher Waffen in Saudi-Arabien nicht enthalten ist).

Und selbstverständlich nicht ohne weitere Kritikpunkte meinerseits – aber anders kann es zwischen Menschen aus offenbar biologischen Gründen (Jeder von uns ist aus unterschiedlichen Erfahrungen zusammengesetzt) nicht gehen, selbst dann, wenn sie einander den Respekt gegenseitigen Zuhörens erweisen:

Übereinstimmung am entscheidenden Punkt: dort, wo Sie darauf verweisen, dass unsere derzeitige Situation eine Quittung ist. Dies trifft zu bis hinein in die Tiefenpsychologie (wo der böse Sohn der Zeit, der ungeliebte, ausgegrenzte, durch die Hintertür hereinkommt mit Mord und Brand).  Meine Kritik an dieser Stelle ist, dass der Verweis fast höflich zurückhaltend bleibt, gibt es doch fast keinen der Diktatoren im Nahen Osten seit Ende des Zweiten Weltkriegs, der nicht vom Westen inthronisiert worden wäre, nicht nur den einen konkret Benannten.

Wenn Sie darauf hinweisen, dass „sie“ ja ohnehin schon bei uns wohnen, dann geschah dies ohne Querverweis darauf, dass kein europäisches Land die Integration dieser Immigranten gewollt oder sonstwie geschafft hätte, vor allem, dass jetzt die Öffentlichkeit mit der Nachricht konfrontiert wird, nunmehr würden die Neuen, die Flüchtlinge, umgehend umfassend integriert: denn wen wundert ein AfD-Erfolg angesichts derart entmündigender Verdummungsversuche? Man könnte hier den Gedankenfaden etwas weiterspinnen mit dem Hinweis darauf, dass die Briten diese Integration ihrer früheren Kolonialvölker noch am besten geschafft hätten. Ich sage dies aber nur, um dann darauf hinweisen zu können, dass dieser Anschein fatal trügt; dafür zwei Beispiele:

  1. Es gibt Städte wie z.B. Birmingham oder Leicester, in denen gerade mal noch die Hälfte der Bevölkerung britisch ist und indisch-stämmige Einwohner als zweitgrößte Gruppe mehr als ein Drittel ausmachen, stellenweise das öffentliche Leben prägen, so sehr, dass man sich daran erinnern muss, dass man nicht in einem besseren Viertel von New Delhi ist sondern in England.
  2. England war das erste Land in Europa, wo um die Forderung nach Scharia-Law öffentlich politisch gekämpft wurde – Integration?

 

Ja, sie wohnen schon bei uns, sagen Sie richtig. Aber: was Inder in Großbritannien können, werden auch Moslems in Deutschland tun: ich habe zu viele Briten indischer Abstammung getroffen (besonders auf Reisen zwischen UK und Indien [„I am from India, but I live in the UK; ah, you mean „the Britishers, those Britischers“ …] die mir mit gelassenem Grinsen versicherten: wait another couple of generations, then we will take over that whole business of little Britain.

Die Forderungen werden lauter. Das Nachreichen von Familienmitgliedern nimmt zu.

England?

„ln Deutschland können Vorschriften der Scharia nach dem deutschen lnternationalen Privatrecht zur Anwendung kommen. Wenn ein in Deutschland lebender Ausländer vor Gericht zieht, dann bestimmt das lnternationale Privatrecht, welches Recht in seinem Fall anzuwenden ist.“  

(http://www.religionen-im-gespraech.de/thema/scharia-eine-gefahr-fuer-das-deutsche-recht/hintergrund/scharia-deutschland)

Ist das Integration?

 

Dies führt mich zum nächsten Kritikpunkt:

Freilich rufen Sie zurecht nachgerade dazu auf, dass es an uns ist, etwas zu tun, etwas zurechtzurücken in unseren Köpfen – aber was? Was genau, nicht nur bezogen auf die historische Schuld unserer Vorfahren und unser selbst, sondern für die Zukunft unserer Kinder?

Das Beste am Artikel von Precht und Welzer in der Zeit-Ausgabe vom 17.März war zu diesem Thema die Erwähnung der Neudeck-Idee betreffend die Adoption von Problemstaaten durch Länder des Westens. Denn damit wird an die Notwendigkeit erinnert, jetzt dringend nicht nur eine eigene europäische Nahost-Politik zu entwickeln, sondern konkrete Pläne zur Wiedergutmachung von Sünden der Kolonialmächte. Ich meine, dazu gehört zuallererst eine ernst gemeinte und durchgezogene Hilfe zur Selbsthilfe, endlich aufzuhören mit der Ausbeutung von Resourcen, endlich fair umzugehen mit den Menschen. Maßgeblich in diesem Zusammenhang wären markante, hörbare, sichtbare, spürbare Zeichen in den betreffenden Ländern. Dazu hat gestern der Präsident von Afghanistan mit seinem Interview für BBC einen entscheidenden Beitrag geleistet, eine Nachricht, die – so sonderbar es klingen mag – die Merkel’sche Willkommenskultur „mit Sofortintegration in die unbesetzten deutschen Arbeitsplätze“ nachgerade erneut beschämt als weiterhin kolonialistisch gedachte egozentrische Hintergedanken: Präsident Ghani sagt: was kann er der Attraktivität eines einladenden Deutschland entgegensetzen? Hunderttausende seines staatserhaltenden Mittelstandes laufen ihm davon, laufen einfach weg in dieses (mittlerweile zum Unwort unter den Rechtsgerichteten gewordenen) „better life“. Nur wirklich ernst gemeinte und dann auch wirklich ausgeführte Unterstützung von Ländern wie Afghanistan, Libyen, Algerien, etc. etc. für deren Entwicklung zu prosperierenden Staaten kann dieses Weglaufen ändern – nicht aber das Abdrainieren ihrer Eliten. Schon wieder, oder weiterhin, blüht also ein verdeckter Opportunismus unter dem Deckmantel des Samaritertums.  Auch dies müsste vordergründig kritisiert werden. Denn anders schaffen wir den Weg aus dieser Krise nicht auf friedlichem Wege. Sie schreiben ja: sie kommen ohnhin in jedem Fall. Die Frage ist: ob mit oder ohne Waffen (die dann noch dazu wie bisher jene wären, die wir ihnen verkauft haben). Dass wir mit zunehmender Prosperität in allen Entwicklungsländern eine erneut ansteigende freie Migration auslösen würden, ist klar, dann aber nicht mehr gefährlich. Bis dahin würden aber in jedem Fall noch einige Generationen über die Welt gehen.

Zum Merkel’schen Versuch einer Versöhnung mit den Muslimen – wie Sie schreiben – bleibt dennoch das von der Kanzlerin geschaffene Problem der mangelnden Aufklärung / Information ihrer mitdenkenden Bevölkerung: warum Asyl unlimitiert und samt sofortiger Integration anstatt Gastrecht (laut Asyl-Antragsformular Aufenthaltsrecht für 1-3 Jahre), warum nicht Gastrecht anstatt Integration? Warum nicht Reform des Asylrechts angesichts einer sich dramatisch ändernden Welt? Warum nicht frühere Intervention in den Camps von Jordanien und Libanon, warum nicht rechtzeitig dort direkte Unterstützung? Warum erst jetzt Milliarden für die Türkei? (siehe: „Spätnachlese zur Merkel- Doktrin: Wir schaffen was? Mit sechzehn Fragen an Frau Merkel und Anmerkungen zur Diskussion, auf wordpress).

 

Zusammenfassend sollte meiner Ansicht nach also gelten: Wenn schon Schulung von Flüchtlingen vorort, dann Einschulung zur Rückkehr für den Aufbau bzw. Umbau der eigenen Heimat (es ist auch nicht fair, wenn jetzt westliche Soldaten ihr Leben in und über Syrien riskieren sollen, während Syrer für ein besseres Leben nach Europa kommen). All unsere Vorfahren haben jene Freiheiten bitter erarbeiten und erkämpfen müssen, von denen jetzt Andere gratis profitieren wollen, bei uns. Nicht unsere Heimat müssen wir ihnen geben, sondern ihre eigene müssen sie endlich voll und ganz in Besitz nehmen dürfen, mit unserer uneigennützigen Unterstützung, die ob des erheblichen Aufwandes nicht ohne Opfer abgehen kann – doch: wenn die Zivilgesellschaft meint, wir seien ihnen Hilfe schuldig, stimmt sie nicht gleichzeitig zu, dass wir ihnen erst recht diese Hilfe zur vollen, gleichrangigen Eigenständigkeit schulden?

Jugend an die Macht? Welche?

Jugend an die Macht? Welche?

Jugend? Ja! Aber erst mal erziehen, dann erst Macht.

Kommentar zum Artikel in DIE ZEIT vom 17.03.2016 von RD Precht und H Welzer

Kann mir gut vorstellen, dass Sie dieser Tage von einer Lawine von Zuschriften aus den Reihen grantiger 68er (und +) überschüttet werden.

Aber jetzt im Ernst:

Viele „Alte“ (ich mag diese Form von Aufruf von einem 57-Jährigen) werden, entgegen dem hier projizierten Anschein, mit Ihnen übereistimmen, dass die Außen- und Entwicklungshilfepolitik Deutschlands die gegenwärtige Entwicklung mit billigend in Kauf genommen haben. Auch darin, dass es in der Geschichte „kein freiwilliges Zurück“ geben kann, werden Ihnen Viele zustimmen, auch viele Ängstliche, die trotz ihrer derzeitigen Angst solche Erkenntnisse aus ihrer Lebenserfahrung und ihrem erworbenen so genannten Wissen zu schöpfen imstande sind. Viele Alte werden Ihnen auch beipflichten, dass nach der jahrhundertelangen Ära von Kolonialismus und sonstiger Ausbeutung verschiedener Formen im Rahmen der unaufhaltsamen Globalisierung der „Wille zu teilen“ das nicht nur sichtbare sondern auch für alle Menschen spürbare Signal des Westens sein muss, soll es für unsere Nachkommen eine Zukunft im Frieden geben. Hervorragend ist in diesem Sinne die im Artikel als Neudeck’sches Konzept vorgestellte Idee der „Adoption“ von Entwicklungsländern, vorausgesetzt man schafft es, dem zu befürchtenden Drang zur Bevormundung vorzubeugen und damit dem Beigeschmack erneuten oder verdeckt fortgeführten Kolonisierungsversuches (siehe Weltbankkredite).

Sie loben die Offenheit der Jugend und strafen die ängstliche Besitzstandswahrung der Alten; gleichzeitig jedoch, wie Sie Offenheit bei der Migration verlangen, sehen Sie die Notwendigkeit der Begrenzung; sie widersprechen sich hier selbst, vetreten keine nachvollziehbare Logik: Sie kritisieren die Kritiker der Willkommenskultur, ohne deutlich einzuräumen, dass diese Kritiker das Dogma der Unbegrenztheit bzw. Unbegrenzbarkeit fürchten könnten, nicht aber jegliche Zuwanderung.

Was also soll die Macht der Jugend bewirken, die im Überschwang unbegrenzt immigrieren ließe, um sich nachher dafür kritisieren lassen zu müssen, dass sie nicht bedacht hat, was die Folgen unbegrenzter Immigration, unkontrollierter Migration insgesamt, sein müssen?

Zu Zielen und Gründen: Auch wer etwas erreichen will, braucht Gründe, um die anderen zu überzeugen, und auch die, die etwas verhindern wollen, haben Ziele, nur eben andere, aber dies nur am Rande, um zu betonen, dass Sie selbst den Weg der offenen, demokratischen Diskussion mitunter zu verlassen drohen. In diesem unmittelbaren Zusammenhang ist wichtig, auch Ihren Hinweis auf die alles übertönende Bedeutung der Erziehungspolitik zu würdigen; nur, Sie sehen selbst an Ihrer eigenen Reaktion auf vorangegangene Meinungen in der Presse, dass ein Haupterziehungsinhalt das Gewahrsein dafür werden müsste, dass wir Alle spontan zunächst Opfer unserer Überzeugtheit sind, eines Du-blinden Glaubens an diese subjektiven, aus der Überzeugung konstruierten Gebildes, das wir als unsere Wahrheiten erleben. Diese Überzeugtheit überwinden und die Anderen als tatsächlich gleichwertig und gleich wichtig anerkennen zu lernen, wäre ebenso bedeutsam wie neue Technologien zur Erlösung der Umwelt von unserer selbstzerstörerischen Ausbeuterei. Ich gestehe ein, dass diese Worte gleich wieder nach neuer Ideologie klingen. Aber was, frage ich Sie, was in dieser Menschenwelt gleitet nicht ab in den Reigen der Ideologien, um von Gegen-Ideologien bekämpft zu werden?

Ihr Artikel ist ein teilweise agressives Fanal gegen die ängstlichen Bewahrer ; was hingegen völlig fehlt, ist die Kritik, ja die Agression gegen die am schwersten wiegende Bedrohung: den ungebremsten Kapitalismus mit der Folge des beängstigend, ja bereits destabilisierend wirkenden „social divide“. Sie verwenden das Wort „idiotisch“: hierzu kann ich ergänzen: am idiotischesten ist das blinde Rennen des Westens in das eigene Verderben, dort, wo am Ende des verheißenen endlosen Wachstums den Superreichen die Käufer ausbleiben und Alle alles verlieren. Die Jungen müssten also auch lernen, dass die derzeit nachgerade dogmatisch vor Kritik geschützte liberale Demokratie aus der Sicht dieser wirtschaftlichen Irrlehre ewigen Wachstums nur „sozialer Wohlstand und Friede auf Pump“ ist, geliehen von den Banken, gestohlen von der billigen Dritten Welt, den ehemals alten Kulturen, denen, die vorübergehend Kolonien hießen und jetzt Entwicklungsländer.

Und vielleicht doch noch ein Wort der Hoffnung zum Ausbruch aus diesem Kreis der Geschichte hinaus in eine Zukunft ohne sofortige Endzeitdrohungen: Selbstverständlich sollte Nationalismus (mein Unwort in spe für das 21.Jh.) der Vergangenheit angehören, aber, bitte, zeigen Sie mir jene Jugendmassen, die für faire Globalisierung die Fahnen schwenken, denen Sie die Macht überantworten wollen – nicht einmal am Lehrstuhl für „social entrepreneurship“ an der Said Universtität in Oxford glaubt man an die eigene Fahnenaufschrift und hätte am liebsten das „social“ wieder weg. Die einzigen fahnenschwingenden Jungen, die ich aus der Gegenwart kenne, die auch Macht übernehmen wollen, sind einerseits die von Europa ausgewanderten, und neuerdings auch die wiedergekehrten [angeblich 400 von den 5000], IS-Kämpfer, andererseits die Rechtsradikalen – ich setze stillschweigend voraus, dass Sie keiner dieser beiden die Macht übergeben wollten – wem aber dann?

Wir kommen also um die Aufgabe der Erziehung als ersten Schritt nicht herum, ein Kernproblem in einer Welt, in der alle arbeiten gehen und die Kinder unterbezahlten Nannies und hilflosen Lehrern überlassen, die überarbeitet und überfordert mit einer Jugend zurechtkommen sollen, der man versichert hat, sie bräuchten vor den Alten keinen Respekt mehr zu haben (darauf sind sie auch selbst sehr schnell gekommen). Wie Sie sehen, tue ich mir richtig schwer, die Evolutionsspirale von Rupert Riedl in Gang zu bringen in der Zuversicht auf ein Ziel in der ferneren Zukunft, raus aus dem Kreis der Geschichte. Dies auf friedlichem Wege zu schaffen, ist eine fast unvorstellbar große Herausforderung. Aber die Geschichte zeigt ohnehin, dass „es“ geschieht, was auch immer die Macher zu bewirken hoffen und glauben.

Dennoch: die von Ihnen kritisierten Alten und Umkehrer in die alte Welt sind nicht nur bekämpfens- und bedauernswert, sie sind uns Warnruf, denn sie haben zumindest mit ihrer Angst recht: sie ist undefiniert, diese Angst, aber sie setzt sich zusammen aus der Sensation von gestern (Flüchtlingskrise) und der Sensation von heute (Terror in der Großstadt). Diese beiden sind einander bedrohlich nahe gerückt, denn dazwischen kommt noch eine dritte, immer weniger unsichtbare, Kraft dazu: Die Schattenwesen am Photo in Ihrem Artikel könnten ebenso von den Unruhen in England im Jahr 2011 stammen, oder denen aus den Pariser Vorstädten 2005, oder Tourcoing/ Bourgogne 2015, oder Brüssel Molenbeek. Man hat sie weggesperrt aus der Wohlstandsgesellschaft, aber sie kommen wieder, einige davon am Umweg über Irak und Syrien, als der „Böse Sohn der Zeit“ aus Freud’s Psychoanalyse ,wahrscheinlich von Schiller’s Räuber inspiriert, dem ungeliebten Sohn, der, verstoßen, durch die Hintertür zurückkommt mit zerstörerischer Energie.

Jugend? Ja! Aber erst mal erziehen, dann erst Macht.

Allerdings, hier droht sich erneut ein Kreis zu schließen, denn der Philosoph von Ihnen beiden wird uns eingestehen müssen, wie es Sokrates mit seinem Erziehungsmodell, und wie es Aristoteles mit seinem Staat unter Führung der Philosophen erging.

Letztlich werden wir also wohl doch zurückgeworfen auf die Erkenntnis von JBS Haldane:

„ … we can foretell little of the future save that the thing that has not been is the thing that shall be; that no beliefs, no values, no institutions are safe. …. The future will be no primrose path. It will have its own problems.“[i]

 

[i] JBS Haldane, Daedalus, or, Science and the Future. A Paper read to the Heretics. Vortrag in Cambridge am 04. Februar 1923. Siehe z.B.:

http://www.unife.it/letterefilosofia/lm.lingue/insegnamenti/letteratura-inglese-ii-lm-lingue/programma-desame-2011-2012/J.%20B.%20S.%20Haldane-%20Daedalus-%20or-%20Science%20and%20the%20Future-%201923.pdf/view

Spätnachlese zur Merkel- Doktrin: Wir schaffen was?

Mit sechzehn Fragen an Frau Merkel und Anmerkungen zur Diskussion

Die EU in der Flüchtlingskrise war bis kürzlich mit den Worten eines Diplomaten zum Ende des Irak Kriegs treffend charakterisiert:

‘No leadership, no strategy, no coordination, no structure and inaccessible to ordinary Iraqis’ (Owen, 2008).[i]

Angesichts des Anscheins einer schwindelerregenden Logik in der Moral hinter der Flüchtlings-Politik, der vorgegebenen und der erkennbaren, Sie verschanzt hinter einem Asylrecht, das in dieser Form der Situation in der Welt nicht mehr gerecht werden kann, wir konfrontiert mit Argumenten, die frühere Versäumnisse der Politik überdecken und politisch korrekt als nicht existent erklären sollen (Ihre beiden Maximen – die des unerschütterlichen integrativen Bemühens und die des Handelns – in Ehren):

1 – Warum sagen Sie nicht: Danke, Österreich, wenigstens leise. Warum ist Deutschland Österreich nicht dankbar? Alleingang? Wessen?  Ist Zugeständnis immer Führungsschwäche?

Deutschland hat durch seine Politik der „Willkommenskultur“ seiner „Zivilgesellschaft“ Europa ohne Rücksprachen vor vollendete Tatsachen gestellt (Deutschland ist kein Nachbarland von Syrien; übrigens auch Ungarn nicht- und irgendwie müssen die Flüchtlinge vergangenen Sommer an die ungarische und dann an die deutsche Grenze gekommen sein). Österreich hat dabei mitgemacht und mitgeholfen.

Die Antwort des übrigen Europas auf den deutschen Alleingang bleibt überwiegend Ablehnung.

Österreich, an der Grenze seiner Kapazität, zwang die EU zum Handeln, indem es Griechenland mobilisierte. Griechenland ist geübt im Krisen-Umgang mit der EU, als lange mangelhaft disziplinierter Partner, der sich verhält wie einer, der an der Wand steht und nichts zu verlieren hat. Umgehend hat sich der Erfolg eingestellt: Griechenland bekommt endlich die seit spätestens Sommer 2015 erforderliche Aufmerksamkeit, wenigsten schon mal medial. Wird dort aber auch die Pflicht zum Schutz der Außengrenze respektiert? Werden dort alle Flüchtlinge registriert? Hilft die EU Griechenland? Wo ist hier der unverrückbare Standpunkt der Menschlichkeit bei Frau Merkel, wo die nachvollziehbare Linie?

2 – Warum sagen Sie Ihren Menschen nicht, dass die Asylwerber als Gäste kommen, um nach Kriegsende wieder in ihre Heimat zurückzukehren? Täglich wieder!? Warum wird nicht betont, dass in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis für Asylanten für die Dauer von 1-3 Jahren ausgestellt wird? Warum ließen Sie nicht täglich betonen, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge ohnehin freiwillig in die Heimat zurückkehren will, sobald wieder Friede herrscht? Mehrere Millionen Deutsche würden unter diesen Voraussetzungen wahrscheinlich weiterhin Flüchtlinge willkommen heißen, und, wer weiß, vielleicht sogar beherbergen.

3 – Warum mussten deutsche Bürger vergangenen Sommer und Herbst so tun, als hätte Europa kein Problem mit seinen bisherigen Migranten? Warum haben Sie Ihre politischen Entscheidungen nicht auf jene Perspektiven basiert, die man neuen Migranten aus der Erfahrung mit den bisherigen nur bieten kann – sofortige Integration?

4 – Zum Argument der dringenden Erfordernis nach Arbeitskräften: Wenn es stimmt, dass ganze 5% der arbeitswilligen Asylwerber den Anforderungen der deutschen Wirtschaft gerecht werden, um sie als dringend benötigte qualifizierte Arbeitskräfte einzusetzen, was für eine Form von logischer Pirouette hat man sich bei diesem Hintergrund-Argument für die „Willkommenskultur“ vorzustellen?

5 – Dass es menschenverachtend sei, Flüchtlinge über die Ägäis zu schicken, teile ich. Dass diese Worte Ihnen, Frau Merkel in den Mund gelegt werden, verstärkt Vertrauensverlust in Politik und Kopfschütteln angesichts des Chaos: es war die Einladung nach Deutschland, die „Willkommenskultur“, die diesen Massensturm über die Ägäis angestoßen hat! Es sind die Flüchtlinge, die den Schleppern nachlaufen und ihnen Geld anbieten, die an der Küste einen ganzen Wirtschaftszweig erstehen lassen.

6 – Worin besteht hier moralische Integrität und Linearität, wenn jetzt, ein halbes Jahr später, Flüchtlinge aus Griechenland zurückgebracht werden in die Türkei? Warum hat man das nicht schon im vergangenen Sommer gemacht, wenn es jetzt moralisch gerechtfertigt ist? Warum hat man nicht vergangenen Sommer Griechenland unterstützt und den Strom schon damals aufgehalten, auf Lesbos etc.?

7 – Warum hat Deutschland, bei dem nun demonstrierten und gelebten moralischen Sich-verpflichtet-Sehen zur Hilfeleistung nicht vorort, sondern in Deutschland, nicht vor Jahren intensive Bemühungen und Verhandlungen mit den wirklichen Nachbarländern von Syrien wie Libanon und Jordanien initiiert, und damals auch schon mit der Türkei? Warum hat Deutschland seine Führungsrolle nicht vor 2 oder 3 Jahren beansprucht und jene Gelder der UNHCR zur Verfügung gestellt, die es jetzt für die Asylanten und –bewerber im eigenen Land ausgibt (waren das nicht 10 Milliarden?) Wenn man damals die Mittel dafür nicht aufbringen konnte, warum sind diese jetzt wie selbstverständlich vorhanden, jetzt, da sie den Deutschen zwecks Integration abverlangt werden?

8 – Wenn dem Volk schon über Nacht eine derartige moralische und physische Last auferlegt wurde, wie dies mit der Einladung von über einer Million Menschen ins Land geschah, wenn Sie das Schicksal Syriens in derartigem Umfang zum eigenen Problem der eigenen Leute gemacht haben, warum informieren Sie die Menschen nicht in dieser Ausnahmesituation, lassen sie direkter teilhaben an den tatsächlichen Geschehnissen, mit direkter Information durch die Regierung, nicht nur über mediale Interpretationen und Meinungen: was machen die Türken mit den an ihrer Grenze angestauten Menschen aus Aleppo und Umgebung? Eine Woche lang waren sie Tagesgespräch, heute hat man sie vergessen. Wie verhalten sich die Türken seit der Vereinbarung mit der EU, was machen sie mit dem Geld der Europäer, wie verpflichtet man sie zur Einhaltung der Zusagen? Welche Verhandlungen führen Deutschland und EU mit den anderen arabischen Staaten? Wer, Frau Merkel, erklärt den Deutschen, dass Syrien vergangenen Sommer plötzlich zu einem Problem der Deutschen werden musste anstelle eines von der EU unterstützen Griechenland? – Sie tun es nicht!

9 – Wenn es so richtig ist, dass Flüchtlinge aus Syrien quer durch Europa ausgerechnet nach dem fernen Deutschland kommen, und wenn es deren einzige Chance ist, diese Flucht auch zu verwirklichen, indem sie Schlepper beanspruchen und bezahlen, warum werden dann die Schlepper an ihrer Tätigkeit gehindert? Die Flüchtlinge sind Opfer mit Menschenwürde; die Schlepper sind Kriminelle, denen man das Handwerk legen muss – wie sonst sollten die Flüchtlinge nach Deutschland kommen, die man dort willkommen heißen wollte? Deutschland bringt sie nicht nach Deutschland! (laut ministerieller Auskunft des BAMF für Asylbewerber: „Die Kosten für die Einreise sind selbst zu tragen.”) Warum fragt und erklärt niemand öffentlich, wo hierin noch eine nachvollziehbare Logik zu finden sein soll? Warum holte Deutschland nicht diese Menschen mit Schiffen oder Flugzeugen ab, wie dies nun Italien begonnen hat? Was ist/war an dieser Flucht, an diesem sich Andienen mit Kriminalität – oder ist Sich-Schleppen-Lassen nicht Beihilfe zum Schleppertum? – und mit einem lebensgefährlichen und leidensvollen Fluchtweg über tausende Kilometer menschenwürdig?

10 – Warum darf in Europa angesichts von über 6 Millionen Flüchtlingen aus Syrien nicht von Völkerwanderung gesprochen werden, ohne als populistisch oder rechtsradikal beschimpft zu werden?

11 – Wenn es ein unumgängliches moralisches Gebot ist, jene Flüchtlinge in Deutschland willkommen zu heißen, die es geschafft haben, mit Hilfe von Schleppern bis dahin zu kommen, welches moralische Gebot gilt dann für all jene Flüchtlinge, die sich nicht leisten können, einen Schlepper zu bezahlen? Und welches für Flüchtlinge aus Afrika und anderen Kontinenten? Welche kafkaesken Regeln sind es, die manchen Menschen unter Berufung auf Menschenwürde Rechte verleihen und sie anderen stillschweigend verwehren? Was haben all jene anderen verbrochen, dass sie diese Schmach und Benachteiligung erleiden und über ihrem Elend auch noch dabei zusehen zu müssen, wie andere Flüchtlinge mit Blumen und Geschenken im erträumten Schlaraffenland empfangen werden (das Erwachen unbenommen)? Warum müssen die in Europa angekommenen Flüchtlinge jetzt ein Recht darauf verlangen dürfen und auch bekommen, besser dran zu sein als jene, die schon vor Jahren nach Jordanien geflüchtet sind und dort ihr Leben in Lagern fristen?

12 – Wo ist – nach all den vielen Krisen seit dem 2.Weltkrieg – ein effektiver Krisenstab der G20, der einen deutschen Alleingang überflüssig macht und schneller agiert als die EU? Wo ist die diesbezüglich deutlich vernehmbare Stimme des menschlichen Deutschland?

13 – Wer glaubt der Politik ein Wort, solange die finanzstärksten Länder auch die Hauptlieferanten jener Waffen sind, mit deren Hilfe diese Katastrophe ermöglicht wurde?

14 – Wo ist die Reform der Asylgesetze angesichts einer sich drastisch verändernden Welt? Oder: Was geschieht mit den nächsten 50 oder 100 Millionen Flüchtlingen aus allen Teilen der Welt, die nun ermuntert sind, ihr Asylrecht einzufordern? Wer wird hier eine für mitdenkende Menschen nachvollziehbare politische Ordnung schaffen? Wo ist das kosmopolitische Konzept hinter dieser Einladung?

15 – Warum setzt Deutschland, setzt die EU, nicht via NATO deren Partner Türkei mehr unter Druck? Wenn NATO, dann vorort in der Türkei: warum nicht NATO-Camps gemeinsam mit UNO zur Versorgung, Registrierung und Weiterleitung von Flüchtlingen nach Maßgabe des 3-Punkteplans (siehe am Ende des Textes)? Statt 6 Milliarden bar an Türkei hätte die NATO mit diesem Geld Einsatzkräfte und Leistungen finanzieren, den Türken diese Last abnehmen und das Geld gezielt selbst einsetzen können. Dass dazu auch der Türkei finanzielle Hilfe zusteht, als bisheriger Hauptlastträger in dieser Katastrophe, steht außer Frage – aber sind 6 Milliarden der adäquate Anteil?

16- Steckt hinter dem derzeitigen Chaos ein Geheimnis von besonders weiser Politik mit Weitblick? Will man die verwöhnten Reichen des Westens dazu zu motivieren, zu teilen, indem man ihnen mit dem gegenwärtigen Geschehen als Versuchsmodell vorführt, was passiert, wenn man es nicht tut? Will man sie zahlen machen, damit die da nur dort bleiben, wo die gegenwärtige Testmasse herkommt, weil man sie hier nicht haben will? Ist es eine Induktion hautnaher Erfahrung, um nun mehr Geld aus uns holen zu können für diese so genannte Entwicklungshilfe vorort? Denn ansonsten könnte man dieses politische Geschehen nur noch nach den Worten des bulgarischen Politologen Ivan Krastev als „nobel aber naiv“ bezeichnen.

 

 

 

Nachwort zur Diskussion:

Allen derzeit streitenden Parteien Europas ist gemeinsam, dass sie bei einer Trennung und Auseinandersetzung etwas zu verlieren haben. Politische Führung muss also davon zu überzeugen vermögen, dass alle neuen nationalen und regionalen Be- und Emp-findlichkeiten darob nachrangig sind, gleich ob im Westen, in der Mitte oder im Osten Europas. Hierfür ist seit dem Zerfall der Sowietunion und der NATO-Osterweiterung bereits genug Zeit vergangen. Dazu kommt, dass diese Erkenntnisse von Vor- und Nachteilen des Für- oder Gegeneinander auch für Russland ebenso wie für die USA gelten. Das klingt nach der gebotenen Einsicht, dass das, was die Welt nun braucht, eine verstärkte Kooperation der G20 ist, im Rahmen derer im gemeinsamen Interesse das Vorgehen gegenüber dem Rest der Welt (es sind 33% der Weltbevölkerung, nach BIP nur 12%) einvernehmlich abgestimmt wird, eingedenk des Gewahrseins der Vorteile der Gemeinsamkeit. Klar ist, dass derzeit eine globalisierte Migration verhindert werden muss, weil sie das Ende unserer Kultur und Zivilisation wäre. Erst wenn in allen bewohnbaren Regionen der Welt ein vergleichbares Zivilisationsniveau verwirklicht ist, kann die freie Migration zugelassen werden. Heute Kosmopolit zu sein und freie Migration zu vertreten heißt lebensgefährlich naiv zu sein – es ist zu früh dafür!

Vieles liegt an missverstandener Solidarität bzw. Missverständnis bei der Bedeutung des Begriffs „Solidarität“.

Kontraproduktive, ja für den Weltfrieden gefährliche „neo-isolationistische Töne“ kommen nicht nur aus USA, sondern auch aus allen rechts-rückenden europäischen Populationen, nicht nur den osteuropäischen, auch den mittel- und westeuropäischen. Soweit sie Europa betreffen, sind sie teilweise auf die „Durchwinkpolitik“ zurückzuführen, die Deutschland mit dieser „Willkommenspolitik“ veranlasst hat: im Alleingang hat Deutschland damit zugelassen, dass Flüchtlinge unter Umgehung des Schengen-Abkommens quer durch Europa nach Deutschland reisen konnten – das wird jetzt neuerdings anders dargestellt, nämlich so, als wäre es eine Leistung der deutschen Politik, die Rückkehr zur Schengen-Lösung auf europäischer Ebene zu erreichen: allerdings wurden dabei die Griechen erst unterstützt, seit Österreich dazu zwang. Ähnlich ungerade erscheint auch der Weg der deutschen Politik von ursprünglich der Information an die eigene Bevölkerung, dass die Flüchtlinge teilweise in andere EU-Länder weiterreisen würden, zu nunmehr einer Integrationspolitik ohne Erwähnung der Tatsache, dass die übrigen EU-Länder zum Großteil weiterhin nicht daran denken, Deutschland Flüchtlinge abzunehmen. Dass Österreich ein Alleingang vorgeworfen wurde, ist nicht nachvollziehbar, denn Österreich war im vergangenen Sommer von Deutschland zum Mitmachen genötigt worden, ohne zu fragen, wie lange das Land diese Belastung würde durchhalten können.

Ihr Alleingang in der gegebenen Situation des vergangenen Sommers ist aus christlicher Sicht vorbildlich, macht Deutschland und alle Mithelfer vorbildlich, zeigt wahren Willen zum Weltfrieden, insbesondere angesichts der beschämenden Rolle von UN und Golfstaaten (Saudi-Arabien ist ein Nachbarland!). Nachgeben hat dem Urchristentum das Römische Reich samt vielen Nachbarn eingebracht. Die Urchristen lebten allerdings von der Vorstellung einer alsbaldigen Wiederkehr Christi. Wo aber ist Ihre Strategie zur Führung der Menschen in ihrer Zeit? Warum lassen Sie Ihre Glaubwürdigkeit dahinschwinden? Sie könnten den Menschen ihre Angst vor Überfremdung nehmen, indem Sie die Gastrolle von Asylanten in den Vordergrund stellen – nicht Integration, Herberge und Bewirtung sind das Gebot der Stunde – das zeigte Ihnen auch die „Zivilgesellschaft“! Wo ist Ihr mitvollziehbares staatsmännisches Konzept hinter Ihrer Führungsrolle allenthalben? In Ihrer jetzigen Defensivposition wirken Sie zwar weiterhin überzeugt, jedoch nicht überzeugend, nicht einmal auf Ihre „Verbündeten“ der Koalition, nicht einmal mehr glaubwürdig.

Sie nähren kommentarlos zwei Ängste der Menschen: jene biologisch fundierte vor dem Fremden an sich, und jene um die Arbeitsplätze, die ihnen nun von Immigranten streitig gemacht werden. Diesbezüglich gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen EU-Staaten: Deutschland braucht – und will daher – Arbeitskräfte, andere Länder um Gottes willen nicht (siehe UK).

Zeitlich begrenzte Gastgeber der Flüchtlinge, nicht deren vermeintliche Integratoren sollen wir sein!

Oder sind alle Integrationsprobleme und –versagen aus vergangenen Jahrzehnten in allen europäischen Einwanderungsländern plötzlich nicht mehr existent, weil das nun zur politisch-korrekten Doktrin erklärt wurde – wer nicht Folge leistet, wird zu den Rechtsradikalen in die Ecke gestellt? Integration im Schnellverfahren – erfolgreich, weil per Verordnung?

Ihre Unbedingtheit bei der Verfolgung eines einmal eingeschlagenen Weges, unabhängig von der daraus resultierenden Beliebtheit und Akzeptanz, ist deshalb erfrischend und daher begrüßenswert, weil sie für Politiker heutiger Prägung vollkommen untypisch ist; allerdings beinhaltet dieser Weg das Risiko des Verlassens demokratischer Grundsätze: ein Politiker, der nicht mehr tut, was die Mehrheit des Volkes will, ist eigentlich nicht mehr demokratisch – was immer man vom Sinn des Diktates der Mehrheit halten mag. Meiner Meinung nach spiegelt dieser Weg das Schicksal des Politikers, der es nie recht machen kann, weil immer Gerechtigkeit im Großen Ungerechtigkeit im Kleinen verursacht, auch das Schicksal dessen, der – wie ein Forscher – nie voraussagen kann, was bei dem begonnenen Experiment herauskommen wird: Überzeugung, d.h. „daran glauben“, ändert daran nichts. Überzeugtheit ist ein a priori, kein Erfolgsrezept. Der Unterschied im Ergebnis zwischen Alleingang in Überzeugtheit, und Zufallsweg als Resultat demokratischer Abstimmung, ist ebenso wenig vorhersagbar wie der Ausgang eines Experiments in wissenschaftlichem Neuland; der Unterschied liegt lediglich in der Zuweisbarkeit der Verantwortung.

Ich halte Ihnen, Frau Merkel, zugute, dass Sie sich persönlich in ihrem Verhalten zurücknehmen und zurückhalten, im Interesse Ihrer Zielsetzung; nicht Selbstherrlichkeit, sondern “Stille Überzeugtheit” halte ich Ihnen vor, eine Form von Sturheit, die auch zu keinem besseren Ergebnis führt als jegliche demokratische Abstimmung; wenn schon “überzeugt” vom eigenen Weg, dann muesste konsequent und hochfrequent direkt informiert werden, nicht einfach nur gehandelt. Das Bemühen um ein “Miteinander” kann niemals falsch sein, nicht einmal, wenn man diesen Weg allein geht, weil alle anderen egoistisch schmollen. Schlimm ist nicht der Alleingang, sondern das hässliche Gesicht Europas, das Eigensucht, Neonationalismus, fatale Kurzsichtigkeit ausdrückt, die vorgefasste Entscheidung, dass ein “Miteinander” nicht wirklich ernst gemeint ist in der EU – und dabei muss schon unterscheiden zwischen Brüssel und EU-Mitgliederstaaten. Das “Miteinander” wäre aber der Weg nach vorne. Was das “Gegeneinander” in Europa und in der Welt bringt, haben unsere Vorfahren sattsam erleiden müssen. Mangelnde Kommunikation ist es also vor allem, was ich Frau Merkel vorhalte, nicht Mangel an gutem Willen. Das bedeutet auch, Kommunikation mit den anderen EU-Staaten – vor jeglichem Handeln, auch vergangenen Sommer. Daraus hätte man schon damals eine lebbare Situation für Flüchtlinge in Griechenland bauen können, gemeinsam als EU.

Die Briten sind am unverhohlensten von allen egozentrisch, machen erklärtermaßen nur dort mit, wo sie einen eigenen Vorteil sehen. Allerdings decken sie mit ihrer Kritik an der EU pointierter als jeder Kontinentaleuropäer die Schwächen der EU-Führung auf, Schwächen der global-staatsmännischen Perspektive. Letztere würde sich auch in Vorausbauen und -denken geäußert haben, z.B. in der Syrien-Frage. Aber hier schließt sich der Kreis des gegenseitigen Taktierens und Belügens aller Länder, nicht nur der EU-Partnerstaaten, die jeweils vorwiegend ihre eigenen Interessen kleinkrämerisch verfolgen und damit den Vorteil der Gemeinsamkeit verspielen, die Welt immer wieder, eitel und kurzsichtig, ja tollwütig, an den Rand eines Krieges bringen.

 

Ganze Länder, in jedem Falle aber jegliche Individuen, die es wagten, eine andere Meinung kundzutun, wurden in den Tagen der „Willkommenskultur“ offen und nicht freundlich der Unmoral bezichtigt; wer von diesen Rechthabern aber bezichtigt die zwei anderen Instanzen, die im Zusammenhang in beliebiger Reihung von Bedeutung sind?

  • Die Moslems dieser Welt, die dabei zusehen, wie sich die Moslems dort bekriegen und gegenseitig umbringen – sie schreien, wir sollen etwas tun, aber was tun sie?
  • Die Internationale Gemeinschaft

Es ist nicht deshalb nur Euopa – und überhaupt nicht nur Europa – der Verantwortliche, weil die Flüchtlinge nach Europa wollen. Andere große Länder, die ebenfalls Teil der UNO sind, liegen näher, geographisch wie kulturell! Ist „Asylrecht“ ein freies Wahlrecht auf das Bessere?

 

Wenn man nun fragt, ob die EU ihre Werte gegenüber der Türkei verrate, werden sich viele fragen, welche Werte dies denn seien: Ich habe bisher einige davon erkannt:

  • Politischer Opportunismus (ich mache nur mit, wenn es mit nützt)
  • Politische sozialmoralische Kurzsichtigkeit (Willkommen, wer es bis Deutschland geschafft hat, wenn auch mit kriminellen Mitteln; Ignorieren der Millionen in Jordanien und Libanon)
  • Unpolitische, naive Zivilgesellschaft mit Willkommenskultur (am Ende des Sommerspektakels kommen die Folgen: Kölner Domplatz, brennende Asylheime und AfD in den Landtagen).
  • Besitzstandswahrung und kulturelle Einigelung (wir sind Christen und wollen hier keine Moslems, zumindest aber nicht noch mehr als bisher)
  • Kommentarlose Teilnahmslosigkeit (mit Ausnahme von GB: dort Kritik an der insuffizienten Politik der EU bei gleichzeitiger Ablehnung zur Teilnahme).
  • Deutschland hat jedenfalls  „Werte“ der EU damit verraten, dass es ohne Rücksprache sämtliche Regelungen ignorierte und Menschenmassen unkontrolliert immigrieren ließ.

 

Der Drei-Punkte-Vorschlag:

  1. Nicht um Obergrenzen geht es, sondern um „Gaststatus“: die Politiker machen seit Monaten den Fehler, von Migration, Verteilung, Umverteilung, Aufnahme und Integration zu sprechen. Das verschreckt die Bürger, schürt die Angst vor Überfremdung. Aufnahme als Gäste in Europa bis zum Ende des Krieges wäre das richtige Signal (gewesen), das breite Bevölkerungsschichten als nachvollziehbar und unterstützenswert empfinden würden.
  2. Gleichzeitig sollte Europa mit diesen Gästen nicht deren Integration betreiben, sondern deren Versorgung, aber auch Aktivierung zu Leistungen im Dienste ihres eigenen Landes, Vorbereitung zur Rückkehr. Es ist nicht fair, dass Europa, dass die Welt für den Scherbenhaufen zahlen soll, den der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten erzeugt, während die Flüchtlinge im Westen „a better life“ haben. Selbsthilfe der Flüchtlinge für ihre Heimat ist deren erstes Gebot, unsere Beihilfe dazu unser humanitäres Gebot.
  3. Die Weltgemeinschaft hätte gleichzeitig die Aufgabe, mit diplomatischen und militärischen Mitteln den Nahostkonflikt beenden zu helfen, damit die Flüchtlinge wieder in ihr Land zurückkehren können. Inzwischen Versorgung vorort und in den angrenzenden Ländern. Nicht nur durch die EU, sondern in gleichem Umfang von der Weltgemeinschaft.

 

[i] Hubris syndrome: An acquired personality disorder? A study of US Presidents and UK Prime Ministers over the last 100 years David Owen1 and Jonathan Davidson2, Brain 2009: 132; 1396–1406, S.1401.