Das Geistige an sich

Eine kurze Erörterung alles Seienden und alles Geschehenen

„Das Seiende“ als Existenz ohne Denken im physischen Sinn ist Gegenstand mancher Überlegungen und Aussagen. „Das Geschehene“ betrifft insgesamt „die Geschichte“, auch die Geschichte allen Denkens und Handelns im irdischen Dasein.

Bei allen folgenden Überlegungen ist der Verweis auf „Logik an sich“ nicht hilfreich, denn „Logik“ ist nichts als eine Spiegelung der Funktionsweise des Gehirns und von „an sich“ existierenden Relationen, deren Expression demnach einer Tautologie entsprechen, bestenfalls einer Darstellung in verbaler Form, wie sie unser Denken benutzt und unsere Kultur durch „Schreiben“ und „Rechnen“ als Entitäten der Kommunikation erfunden und entwickelt hat.

Dementsprechend ist die Frage danach sinnvoll, ob Zahlen, ob Rechnen und Mathematik „an sich“ existieren, also auch ohne das Denken eines Menschen, denn ohne Denken gibt es zwar keine Zahlen im Sinne verbaler oder automatischer Denkvorgänge, doch es gibt die Entitäten an sich auch ohne Menschen und ihr Denken: es gibt also einen oder zwei Planeten und eine Milliarde Galaxien,und die als Mathematik bezeichneten Verflechtungen von Entitäten. „Logik“ ist jedoch das menschliche Denken in und nach solchen Kategorien, also das Denken daran, dass 1+1 nur zwei ergeben kann (der Ausdruck davon ist jedoch eine Tautologie, denn diese Entität ist bereits durch sich selbst definiert, eine Tautologie laut Wittgenstein [i]).

Ich stelle die Hypothese auf, dass „das Geistige“ gleichbedeutend ist mit dem Seienden, dem Sein, und ferner, dass ein Unterschied besteht zwischen „dem Sein“ einerseits und „dem Gewahrsein“ andererseits, ebenso wie „dem Sein“ und „dem Dasein“ im Sinne von irdischer Existenz.

Cogito, ergo sum – Descartes meint damit, dass ich bin, wenn oder weil ich denke.

Der Satz ist eine Tautologie.

Descartes irrte damit, denn es sind auch Pflanzen da, sie sind ebenfalls, obwohl sie nicht in unserem Sinne denken. Dies gilt auch für eine komatöse Person.

„Ich bin“ im Sinne von ich bin gewahr und gewahr meines Denkens, ist eine andere Entität. Ich kann zwar auch sagen: Ich bin, weil ich denke; dazu muss ich allerdings eingestehen, dass ich ebenso bin wie andere Wesen wie z.B. Pflanzen ebenso sind, auch wenn sie nicht denken; sie sind also, ungeachtet der Frage, ob sie denken oder nicht. Die Aussage, „cogito, ergo sum“ ist also jedenfalls nutzlos, denn wenn ein Wesen „ist“, auch wenn es nicht denkt, dann „ist“ es auf jeden Fall, auch wenn es nicht denkt. Daher ist auch der Ausdruck eine Tautologie, denn „ich bin“ ist bereits für sich eine Erklärung für „Dasein“, „Hiersein“ oder eben einfach „Sein“, und zwar nicht deshalb, weil ich denke, sondern deshalb, weil ich eben bin. Mit „ich bin“ meint Descartes „ich bin meines Seins gewahr“ (oder einfach nur meines irdischen Daseins). Diese Klärung hat Hacker mit dem Satz konkretisiert: „Only when I am aware that I am aware, am I aware“.[ii]

Monismus vs. Dualismus

Dualismus könnte man verallgemeinernd auch definieren als die These, dass es außer der körperlichen eine geistige Instanz gibt. „Das Geistige“ wird dann im religiösen Kontext als „Seele“ bezeichnet, jenes „Geistige“, das sich nach dem Tod vom Körperlichen trennt bzw. neben der Materie übrigbleibt.

Dieses „Geistige“ kann man – jedenfalls zum Teil – auch als „das Geschehene“ definieren, die Summe aller Ereignisse und Entscheidungen, die sich im Verein mit dem Körperlichen ereigneten. „Das Geschehene“ wir so zu „Geschichte“, den Schichten und Verflechtungen alles Geschehenen, „Geschichte“ Teil der Welt des Geistigen.

Das Geistige eines Menschen während und nach seinem irdischen Leben wäre dementsprechend ein Geist, eine Seele mit Geschichte, der Geschichte der irdischen Erfahrungen und Entscheidungen.

Ich stelle die weitere These auf, dass alles Geschehene, die Geschichte, Teil des Geistigen ist oder es überhaupt – jedenfalls zum Teil – repräsentiert. Ich hypothetisiere ferner, dass dieses „Geistige“, also alles Geschehene, als eigene Instanz existiert. Bei der Feststellung, dass alles Geschehene tatsächlich geschehen sei, handelt es sich um eine weitere Tautologie, denn „Geschichte“ ist damit definiert, dass etwas geschehen ist. Dass dieses „Geschehene“ geschehen ist, ist also fraglos. Entsprechend meiner These existiert sie auf eine nicht definierbare, „geistige“ Weise, so wie auch „das Körperliche“ letztlich auf eine für uns nicht definierbare Weise existiert (die körperliche Existenz verliert sich auf der Suche danach in immer kleineren Partikeln, die letztlich als Wellen, jedenfalls als undefinierbare Erscheinungen mit definierbaren Eigenschaften existieren).

Bedenkt man den einleitenden Verweis auf die Relation von Größen, die wir als Zahlen bezeichnen, und deren aus sich selbst heraus existierenden Relationen, dann folgt daraus, dass auch solche Relationen „an sich“ und für sich existieren, also ohne ein daran im physischen Sinne denkendes Wesen. 

Man kann also diese beiden Kategorien, das „an sich und aus sich selbst heraus“ Existierende wie die Relation von Größen einerseits, und andererseits alles Geschehene, also jegliche Geschichte, somit auch die Geschichte jeglichen Lebens, so auch jeglichen menschlichen Lebens, also jedes Menschen Lebens, zusammen als „Geistiges“, als „die geistige Welt“ oder „die Welt des Geistigen“ bezeichnen, so wie wir die Welt des Körperlichen kennen und beschreiben.

Demnach kann man sich auch vorstellen, dass ein Mensch in seiner geistigen Form existiert, also als die Summe alles Geschehenen, Erlebten, Gedachten, Ersehnten, Bedauerten … „an sich“, unabhängig davon, ob im Zusammenhang mit dem Körper als „Erlebnis- und Erkenntnis-Apparat“. Was bei dieser Vorstellung natürlich wegfällt, ist jegliche Zukunft, weil es ja keine weiteren Erlebnisse und Erkenntnisse mehr geben kann. Man könnte diese „nur geistige“ Existenz also als „Allgegenwärtigkeit des Vergangenen“ bezeichnen. Der Unterschied zu sonstigen kosmischen Erscheinungen beim Menschen wären dessen Entscheidungen. Inwieweit die Entscheidungen in der Gegenwart Künftiges bereits bedingen, also auch Zukunft beinhalten, wage ich hier nicht weiter zu erörtern bis auf wenige Sätze:

Vollkommen unbekannt muss bei dieser Vorstellung bleiben, in welcher Form ein „rein geistiges Gewahrsein“ existieren könnte, also eine alternative Form von unserem „Denken und Erleben im irdischen Dasein“, welche Form von Kommunikation es zwischen diesen einzelnen geistigen Existenzen geben könnte, und in welcher Form wir als solche rein geistigen Existenzen am Leben derer teilnehmen könnten, die eben noch am Leben sind. Eine mögliche Erklärung wäre die Ankunft alles Gewesenen „in der Ewigkeit“ im Augenblick nach einem Ereignis in der Gegenwart, welche Formen der Konstruktion von möglicher, plausibler oder zwingender Zukunft sich aus diesem „in Ewigkeit Seienden“ der Relationen und der Geschichte ergeben könnten, und auf welche Weise uns als geistigen Wesen diese Zusammenhänge klar sein oder werden könnten. An dieser Stelle ergibt sich im Übrigen eine Möglichkeit, auf das Parapsychologische zu verweisen, z.B. auf Propheten und andere Visionäre wie Nostradamus und die Fähigkeit Mancher, künftige Ereignisse als zwingend notwendig zu erkennen.    


[i] Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus, 1921.

[ii] MR Bennett, PMS Hacker, Philosophical Foundations of Neuroscience, Blackwell 2003.

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